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Bad Schlema
26.02.2018, 14:18 Uhr
Ein Wochenendausflug ins Erzgebirge. Erst, als ich wieder zu Hause - in meiner Berliner Lebenswerkstatt - bin, erfahre ich, dass dies die kältesten Tage des Jahres sind. Dort, in Bad Schlema, hielt ich minus sechzehn Grad, vom Eiswind rot gepeitschte Gesichtshaut, gefrorene Saunahandtücher für ganz normal. Februar im Gebirge - da ist das eben so. Februar überhaupt! "Und die Leute sagen, es gäbe keine richtigen Winter mehr!", sagte eine Frau und schüttelte ihren weisen Kopf ob so viel menschlichen Unverstandes.
Aus dem Kurgarten in Bad Schlema, das 2018 übrigens hundert Jahre alt wird, ergießt sich starr eine gefrorene Eisskulptur mit Wellen, Zapfen und Türmen, wo sonst ein kleiner Wasserfall plätschert. Spaziergänger bleiben staunend stehen. Was für Kunstwerke doch die Natur zustande bringt! Am Floßgraben fragte ich mich, ob die ziselierten Eishäute über dem Bach einst die Vorlage für Klöppelspitze bildeten. Möglich ist es. Wind, Frost und Wasser haben feinste Gewebe erzeugt; durchsichtige weißsilbrige Zaubertücher mit zarten Eckchen, die bereits ein Gedanke abzubrechen droht.
Ich lief wie durch ein Märchenland. Jeden Moment könnte die Schneekönigin um die Ecke schreiten. Wo einst der Bergbau eine riesige Wunde in das Tal gerissen hat; wo Matsch und Abraumbagger unwirtlich-schwarze Mondlandschaften in den Planeten gruben, ist jetzt ein Beispiel für - ja, tatsächlich - klare, blühende, heilende Erde geschaffen worden. Hierher kommen die Leute, um wieder gesund zu werden. Um frische Luft zu atmen und gutes Essen zu sich zu nehmen. Um im ACTINON-Bad alles Giftige aus Körper, Geist und Seele heraus zu lassen. Mein Gott, was für ein Wandel!
Wenn so etwas möglich ist, dann kann auch ich mich wandeln. Immer und immer, immer wieder. Ein Mensch ist bloß ein Universum im Kleinen. Also los, in eine neue Woche!
aus meinem Tagebuch
11.02.2018, 11:03 Uhr
Ich sage ja, ich sage nein, und ich kann meine Zeit nur einmal vergeben. Auf halbgewalkte Sachen lasse ich mich nicht ein. Danke dafür, dass ich das heute kann. Das konnte ich ja lange nicht; ich war ein Spielball von Leuten, die mich manipulieren und für ihre Zwecke benutzen wollten. Ich habe selber nicht gewusst, wie krank ich in meiner Seele war; und es bedeutete jahrzehntelange schwere Arbeit für mich, da heraus zu finden, neue gesunde Dinge und Verhaltensweisen einzuüben. Manchmal ziepen die früheren Wunden immer noch; zum Beispiel, wenn ich plötzlich Angst vor scheinbar dominanten Personen bekomme, denen gegenüber ich ein eigenes Anliegen klar behaupten muss. Eine weise Frau prophezeite mir schon vor Jahren: "So etwas hört niemals auf! Wir lernen nur - im allerbesten Falle -, damit immer besser umzugehen und "dennoch" gut zu leben." Ja. Genau so scheint es zu sein. Auch bei mir.
Ein wichtiger Mensch aus meiner Kindheit sagte mal über mich: "Sie hat immer gewußt, was richtig und was falsch ist." Da finde ich nun wieder hin, zu meiner damaligen Unschuld, und zu dem sicheren Draht, den ich - wohin auch immer - spürte. Ich sage gern im Scherz: Ich kam auf die Welt als die, die ich eben war. Dann brachte mich die Welt durcheinander. Und nun komme ich da wieder hin, wo ich von Anfang an gewesen bin. Bei mir. Ist das nicht eine erfrischende Art des eigenen Kurzlebenslaufs?
Am Freitag notierte ich auf die Rückseite eines Kassenzettels von C&A: "Wenn jetzt sogar die künstlerische Lichtgestalt nicht länger funktioniert, dann ist der Leistungskapitalismus wirklich am Ende."
Ein Mensch ist ein Mensch ist ein Mensch. Verletzlich und klein. Egal, wie großmächtig die Maschinerie um ihn herum auch wird. Recht gute Besserung, Helene!
vorübergehend ungetröstet
19.01.2018, 10:31 Uhr
Hat die kleine Traurigkeit, die mich ergreift, etwas mit meinem heran nahenden Geburtstag zu tun?
Nützte es etwas, wenn ich die Antwort darauf wüßte?
Im Supermarkt sang gestern ein kleines Mädchen lauthals "Jingle Bells" und wieselte um mich herum. Lachend stimmte ich ein und sang einfach mit ihr mit. In Berlin ist so etwas ohne Weiteres möglich. Da nimmt keiner Notiz; geschweige denn, dass er eine von uns belehren würde. "Weihnachten ist vorbei. Sing etwas Januar-iges, gefälligst, wenn überhaupt in der Öffentlichkeit. Wenn überhaupt ...". Nein, so etwas sagt hier keiner. Bei meinen Stadtstreichereien kann ich vor mich hin trällern oder sprechen oder auch mal schimpfen, wenn es sein muss; außer einem flüchtigen Blick passiert nichts. Ich muss vorsichtig sein, wenn ich das sage. Es ist nicht zu verallgemeinern. Ich weiß, ich weiß. Es mag an meiner eigenen Wirklichkeit liegen; daran, dass ich eine kleine und harmlos wirkende, ach ja; eine vor mich hin alternde Frau bin. Darum haut mir keiner auf´s Maul, wenn ich ihn anraunze, weil er zum Beispiel auf einem elektrischen Drahtesel hockt und auf dem Gehweg an mir vorüber bretterte; mich erschreckt hat. Mir fast das rechte Ohr abgefahren hat, um genau zu sein!!!
War das vielleicht der Auslöser? Diese Rücksichtslosigkeit? Dass ich ihm so vollkommen egal gewesen bin?
Als mein Gefährte Gummibärchen einsackte in jenem Supermarkt, nach der rüden Tat des Radfahrers; und diese Süßigkeiten waren nicht für mich gedacht (sondern für einen seiner Kollegen), da brach es über mich herein. Da wollte ich all diese Tüten aufreißen, die überzuckerten sauren Würmchen faustweise in mich hinein stopfen. Ich wollte "auf den Arm" und Trost, Trost, Trost; irgendwo Trost finden. Und wurde doch schlicht traurig. Und war doch diese reife Frau mit hellem Haar und einiger Selbstbeherrschung, nun - na ja - inzwischen schon. Die kleine Sängerin der "Jingle Bells", sie hätte mich sicherlich nicht verstanden.
Oder doch?
So kann es gehen. Ich zog mich zurück für eine Weile. Umarme deinen Dämon. Sonst beißt er dich in den Arsch. Das hat mir schon vor vielen Jahren ein Freund geraten. Gestern wieder.
Darf eine Schriftstellerin "Arsch" schreiben? Und: "Auf´s Maul hauen"?
Das besprechen wir ein ander´ Mal.
Schon lächelt sie wieder. Und das, obwohl sie keine Antworten hat.