Ich glaube, das Klügste, was ich je über die Liebe gesagt habe, habe ich gleich in mein erstes Buch geschrieben: Wenn ich bei dir bin, bin ich näher bei mir.

Neuigkeiten


kleiner Mutmacher zwischendurch

16.04.2018, 10:02 Uhr

"Will das Glück nach seinem Sinn dir was Gutes schenken,

sage Dank und nimm es hin, ohne viel Bedenken.

Jede Gabe sei begrüßt, doch vor allen Dingen:

das, worum du dich bemühst, möge dir gelingen."

(Wilhelm Busch)

... steht als Mut"spritze" für verzagtere Momente auf einer Karte auf meinem Sekretär, der mein Altar ist, an dem ich jeden Morgen Platz nehme und mich zum Dienst "melde", zum Dienst an der Literatur und überhaupt. Ja. So ist das. 

 

 

Schöner scheitern

08.04.2018, 09:51 Uhr

"Und wieder Angst in tief´rer Schicht, dass sie noch da sei, glaubt ich nicht.

Ein Zeitchen feinster Illusion, und dann der Abgrund, wie zum Hohn.

Doch alles Trübsal und Geleide, es hat auch eine gute Seite.

Ich nehme Boten, Zeichen wahr, und sehe viele Dinge klar.

Am Markt einen indischen Weisen, der mich erkennt. Mit seiner leisen

und unendlichen Stimme tröst´, dass sich mein fester Wirbel löst. 

Zaubrisch getragen geh ich weiter, nicht düster mehr und noch nicht heiter.

Eine Ahnung, wie ich so lauf: Ich stehe immer wieder auf."

*** 

Dieses Gedicht habe ich im März 2002 geschrieben, also vor sechzehn Jahren - und es in meiner "Stadtstreicherin 1, Neue Spazierbilder" im Frühjahr 2008 veröffentlicht. Heute würde ich nicht mehr "Abgrund" schreiben; ich stürze, wenn die alten Gespenster über mich herfallen, nicht mehr so tief ab. Ich würde auch nicht mehr "Angst" sagen, über das, was sich da "in tiefrer Schicht" regt; es ist etwas sehr viel Milderes und Erträglicheres; Angst ein zu starkes Wort dafür. Aber die Grundaussage des "Schöneren Scheiterns", sie stimmt noch immer. Von Zeit zu Zeit stellen sich - wie Wellen; wie Geburtswehen für eine nächste, eigentlich ursprünglichere Version meiner selbst - die längst vergangen geglaubten Empfindungen wieder ein. Die alten Gesellen besuchen mich und wollen liebevoll umärmelt werden. Das versetzt mich längst nicht mehr in solche Panik. Ich kenne sie ja schon. Hallo, ihr. Herzlich willkommen. In meine Arme, ihr!

Der direkte Vergleich zeigt mir aber auch, wie langsam das alles geht. So viele Jahre! Was ist eigentlich Zeit.

Aber es lohnt sich. Die Wallungen - nicht mehr so dramatisch. Die Belohnungen ("ich nehme Boten, Zeichen wahr und sehe viele (neue) Dinge klar") stellen sich unmittelbarer ein; ich surfe praktisch auf diesem Prozeß und lasse mich auf seinen schwingenden Wogen voran tragen. Ich weiß, wen ich fragen kann und wo ich rasche Hilfe finde. Das war früher eher nicht so. Ich mußte erst suchen ...

Die Person, die ich am meisten fürchte, ist mein wahres Selbst, so, wie Gott mich wollte. Das ist wahr, wahr, wahr. So kann man doch nicht sein. Das darf so nicht. So wird man im Leben nicht bestehen. Ja, aber wie denn sonst! Das Leben ist kein Feind. Die anderen Menschen auch nicht, keiner von ihnen. Ich habe überhaupt keine Feinde mehr - falls ich in meinem eigenen Inneren keine mehr hege. Das lasst euch mal alle gesagt sein. Und ich mir selbst, aber Hallo.

Eure Katrin am strahlenden Sonntag. Sommer im April. Fortsetzung folgt.

 

 

Wohnungsauflösung

14.03.2018, 09:01 Uhr

Direkt mir gegenüber, in meiner Berliner Straße, räumen Männer eine Wohnung aus. Ich kannte die Leute, die darin lebten. Seit dreißig Jahren. Hey! Was für eine lange Zeit. Er hat mich oft eingeschüchtert durch seine laute Art. Sie hat mich eingeschüchtert durch ihre perfekte Art. Den schönsten Balkon im Kiez kreierte sie zu jeder Jahreszeit. Da kam ich einfach nicht ran, an so viel hausfrauliche, gärtnerische Hingabe. Passanten blieben stehen, fotografierten. Reporter schrieben darüber für die Stadtteilzeitung. Der Balkon ist leer. Alles ist still. Und ich kann nicht aufhören, von meinem Schreibplatz her durchs Fenster dort hinüber zu schauen. Schon den dritten Tag geht das so. Möbelstücke wandern in einen Container. Geräte auf die Ladefläche eines LKW. Gardinen fliegen wie zum Abschied winkende Gespenster in einen Van. Ein Töpfchen mit Erika liegt vergessen unten vor dem Haus auf einem Stück Wiese. Die Aktion - scheint es - will mich etwas lehren. Etwas, das nicht so leicht zu fassen ist. In mein Tagebuch habe ich zunächst dies notiert:

Eine Wohnung wird aufgelöst. Ein Leben. Ja, geht denn das? Ein Leben aufzulösen, bis gar nichts mehr bleibt - davon? Von all diesen gefüllten Jahren. Der Katzenbaum. Da tragen sie ihn raus. Hieven ihn auf ihren Transporter, ein wenig achtlos. Braucht ja keiner mehr, das Ding. Wer nutzte schon einen gebrauchten drei-, vierstöckigen Ruheplatz nach, auf dem ein unbekanntes Tier sich aalte! Der Kater ist jetzt auch in einem Heim - wie sie, sein Frauchen, Ich höre sie noch seinen Namen rufen, von unten her, nach einem Einkauf. Da kam er immer angeschlendert, auf den Balkon. Und alle hatten teil. Aufgelöst. Alles löst sich auf. Fort: Frauchen, Herrchen, Katerchen - sie existieren nur noch in meiner Erinnerung. Dereinst wird es für mich genau so oder jedenfalls ähnlich enden. Ich löse mich auf. Bin ja schon dabei. Wohlan dem, an den sie sich erinnern!