Das Leben unter den Menschen
ist ein ständiges Spiel zwischen Distanz und Nähe.
Ich darf da keine Perfektion von mir erwarten.

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Seltsames Gedicht

07.09.2017, 13:20 Uhr

 

Die Art, wie mein Liebster „Blümchen“ sagt, hat mich becirct.

Und draußen ist es über Nacht Herbst geworden ...

aber nicht in mir.

Nasse Wäsche hänge ich auf in meinem Schlafgemach –

als Medizin.

Meine Nase weint.

Sie übernimmt die Tränen,

die aus meinem trockenen Auge nicht fließen wollen.

Randvoll ist mein Herz.

Randvoll mit ALLEM:

Tränen, Liebe; einem großen verzehrenden Nicht-Weiter-Wissen-Und-Doch-Hierbleiben.

Voll mit all diesem und noch mehr ist mein Herz.

Und mit der Art, wie mein Liebster „Blümchen“ sagt.

 

 

Stars for free

28.08.2017, 12:16 Uhr

Da war ich am Samstag wieder, acht Stunden lang in der Berliner Wuhlheide, bei diesem sensationellen Konzert mit siebzehntausend Zuschauern. Es war ein Fest. Wir tanzten, sagen lauthals mit - was ich erst am nächsten Morgen so richtig bemerkte, als ich meinen Herzallerliebsten beim ersten Kaffee fröhlich ankrächzte. Was für ein Quell an Inspirationen für mich! Die vielen Menschen, die sich da so friedlich feiernd versammelt hatten. Die Künstler, die in ihre musikalischen Darbietungen auch Botschaften einflochten. Und dann solche, die gar keine Botschaft zu formulieren brauchen, weil sie selbst die Botschaft sind. Offenes Gesicht, die wachen blauen Augen eines Weisen, zugleich staunend wie ein Kind - und mit solcher Spielfreude! Der Musiker Marlon Roudette mit seinen karibischen Wurzeln, der ein in unseren Breiten exotisches Instrument wie die Steel Drum virtuos zum Klingen zu bringen weiß. Wenn dieser Mann wüßte, was er mir geschenkt hat mit seinem Auftritt! Wir kennen uns nicht; Worte wurden nie gewechselt zwischen uns. Nur diese zwanzig Minuten oder vielleicht eine halbe Stunde; ich im Publikum, er auf der Bühne. Und ich war verzaubert, bin es noch. Sofort wußte ich, diesen Moment, dieses Gesicht, diese Ausstrahlung kann ich mir im Geist zurück holen, wenn trübere Tage kommen sollten. Ein Trost. Ein Licht. Ein Hoffnungsschimmer. Da sah ich es: Es braucht nicht viel. Und Mahatma - die Große Seele - Gandhi hatte recht, als er sagte: "Sei selbst die Veränderung, die du in der Welt sehen willst." Gib dein eigenes Beispiel. Es ist nicht zu klein. Es zählt und wiegt.

Ich habe keine Ahnung, was ich als nächstes schreiben will oder "soll". Tagebuch - immer. Jeden neuen Morgen. Das wißt ihr ja schon, wenn ihr diese Seite lest. Aber was für ein Buch? Was wird gebraucht? Von mir, von dir. Ich weiß es nicht. Ich lasse es einfach entstehen, so geduldig ich kann; in seinem eigenen Tempo. Mal sehen ...

 

 

aus meinem Tagebuch

05.08.2017, 12:53 Uhr

Die interessanteste Mode gibt es nach wie vor bei Humana am Frankfurter Tor in Berlin-Friedrichshain. Tagtäglich tobt dort eine wahre Klamottenschlacht um nun erschwingliche Stöffchen großer und teurer Designer; es ist nicht das erste Mal, dass ich das hier erwähne. Nun veranstalten sie auch noch Kunst, Kultur und Parties dort. Musik wird gespielt, Vintage vorgeführt, getanzt, gelacht, gesungen, geflirtet. Eine Parallelwelt ensteht; aus den Bedürfnissen jener Menschen geboren, die schon längst nicht mehr mithalten und sich weiß Gott nicht alles leisten können, vielleicht auch gar nicht wollen.

Gestern war ich wieder mal da. Und dann geriet ich - einmal über die Straße - in ein gigantisches Internationales Bierfestival. Ich hatte gar nicht gewusst, dass so etwas existiert, und eigentlich ist dies ja auch kein Ort für mich, deren Lebensfässchen schon vor knapp dreiundzwanzig Jahren - und zwar von mir - ausgetrunken wurde. Tja. Und dann trieb mich die Neugier doch durch diese vielen Buden und Stände - und mein Mittagshunger. Alles war noch ganz frisch, von den Sitzgarnituren strömte der Geruch nach Holz und sonst gar nichts. Die Toilettenhäuschen waren wie neu aus der Plastikpresse gehoben, die Männergruppen mit identischen T-Shirts trafen gerade erst ein. Auf jedes Hemd war der Name des jeweiligen Hopfenjüngers gedruckt, wahrscheinlich, damit sie einander später auch wieder finden. Ich wollte nur essen - und fand einen Stand mit Knedliki, Sauerkraut und Prager Schinken; die Damen, die mir mein Mahl kredenzten, taten es freundlich und mit dem altbekannten tschechoslowakischen Akzent. 

Damals war das ein echtes "arme-Leute-Gericht" in den gastlichen Stätten von Brno bis Bratislava. Nun berappte ich sieben Euro und fünfzig Cent, aber die Köchinnen können ja nichts dafür. Und sie sahen so aus, als seien sie früh aufgestanden, also zahlte ich die Summe gern. Es schmeckte köstlich wie früher, im Urlaub mit Zelt und wenig Komfort.

An einem der kleinen Pavillons wird original DDR-Softeis angeboten, aus den originalen DDR-Maschinen, die diese Süßigkeit auch schon früher hergestellt haben. Die beiden Verkäuferinnen trugen von Kopf bis Fuß Pionieruniformen, vom blauen Käppi über die weiße Bluse mit Halstuch bis hin zu den dazu passenden Röckchen. (Solche outfits findet man übrigens zuweilen auch noch in den Modehäusern der "zweiten Hand", ich habe es mit eigenen Augen gesehen.) Ein Teil von mir erschrak ein wenig. Ob sie sich das gut überlegt haben, diese Händlerinnen? Wo Alkohol fließt und das Volk sich mischt, können Provokationen gemein sein.  

Zurück zur S-Bahn lief ich durch die Rigaer Straße, in der zum Kampf aufgerufen wurde. Was soll das bloß für ein Wochenende werden, dachte ich. Revolution, Bierfestival, Ostalgie, Second-Hand-Getümmel. Eine explosive Mischung, oder nicht? Und was mache ich? Ich feiere voll Wonne meinen Hochzeitstag, den zwölften. Nach meiner so ziemlich abgeschlossenen Erfahrung mit friedlicher Revolution und meinen Leben aus erster Hand bei offenem Visier. Ist doch verrückt! Je länger ich lebe, umso klarer wird mir, dass alle Welten sich gegenseitig durchdringen. Ich sehe nur seltsame Widersprüche und überraschende Harmonien, wo ich sie nicht vermutet hätte. 

Das treibt mich an. Das läßt mich bleiben und mich jeden Morgen neu zu meinem Dienst an der Literatur melden. Möge das Wochenende im Friedrichshain glimpflich bleiben. Möge unsere Liebe blühen.